Mysterium Rosenkranz

Sie wirken wie aus einer anderen Welt - Menschen, die man in Fußgängerzonen, auf öffentlichen Plätzen oder vielleicht gar in Kirchen sieht, vor sich hin murmelnd, in einer Hand eine kleine, unscheinbare Kette mit unterschiedlichen Kügelchen. Sie beten einen "Rosenkranz", ein streng komponiertes, traditionelles meditatives Gebet. Tatsächlich ist der Rosenkranz heute selbst unter "praktizierenden Katholiken" nicht mehr weit verbreitet. Zu sperrig wirkt seine strikte Taktung der Gebetsabfolgen, zu wenig individuell in einer Welt übersteigerter Egos. Vielleicht ist der Rosenkranz gerade deshalb zeitgemäß - weil er hineinführt in eine "andere" Welt, weil er den Rocksaum jener großen Tradition christlicher Spiritualität berührt, die den Besucher in Kirchen vielleicht noch anweht, die er aber nicht mehr zu begreifen vermag.
Der Rosenkranz lebt vor allem in Pilgergruppen und bei Wallfahrern weiter. Die Monotonie stundenlanger Märsche verträgt sich gut mit der monotonen Rezitation eingeübter Gebete. Ein Rosenkranz gebetet - und schon ist man wieder fünf Kilometer weiter. Selbst hart gesottenen Agnostikern, die Fußwallfahrten zur bloßen Reinigung von Körper und Geist degradieren, erkennen unterwegs mitunter den Wert dieser Gebetsform, die genau das leistet: eine Loslösung von Körper und Geist, eine wohltuende Entrückung, die durch das Gemurmel hindurch Raum gibt für das Eigentliche, für Gedanken und Einkehr.
Die Geschichte des Rosenkranzes
Die vielfache Wiederholung kurzer Gebete ist in fast allen Religionen bekannt. Sowohl im Islam als auch im Buddhismus werden dafür Gebetsschnüre als Hilfsmittel zum Zählen verwendet. Die Gebetshäufung war bereits ab dem 3. Jahrhundert in der Ostkirche üblich und setzte sich wenig später auch in der Westkirche durch. Das katholische Rosenkranzgebet hat sich aus frühmittelalterlichen Gebeten entwickelt. Die älteste schriftliche Erwähnung einer mit Steinen aufgezogenen Zählschnur findet sich bei der angelsächsischen Adeligen Lady Godiva im 9. Jahrhundert. Die heute gebräuchliche Form des Rosenkranzes entstand im Advent 1409 als der Trierer Kartäusermönch Dominikus von Preußen die Leben-Jesu-Andachten in die Form von 50 Gebetssätzchen brachte.
Dass gerade der Oktober als "Rosenkranzmonat" gilt, hängt mit einer historischen Schlacht im Ionischen Meer bei Lepanto zusammen. Am 7. Oktober 1571 hatten die christlichen Mittelmeermächte, organisiert unter Papst Pius V., mit Spanien an der Spitze, dort einen überraschenden Sieg über das Osmanische Reich errungen. Dieser Sieg wurde vom Papst dem Rosenkranzgebet zugeschrieben - woraufhin Pius V. anordnete, das von nun an dieser Tag als "Fest der Seligen Jungfrau Maria vom Siege" zu feiern sei.
Was macht den Rosenkranz so besonders?
Das Wort "Rosenkranz" stammt vom lat. rosarium (‚Rosengarten‘). Rosen stehen als Symbol für Maria, die Mutter Jesu. Die Madonna im geschlossenen Rosengarten (hortus conclusus) oder ein Kranz aus Rosen auf dem Haupt der Gottesmutter sind ein Symbol für die Jungfräulichkeit. Der Begriff rosarium wurde später auf die Gebetskette übertragen. Sie soll ursprünglich aus Rosenblättern bestanden haben.
"Das Wiederholen bestimmter Worte spielt beim Rosenkranz eine wichtige Rolle", so "Festprofi" Karl Veitschegger, "in gewisser Weise erinnert es dabei an fernöstliche Mantras" Der Wert der Wiederholung liege dabei nicht in der Anhäufung von Worten. Matthäus schreibt im seinem Evangelium in Kapitel 6: "Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen". Wichtig ist der Rhythmus des Sprechens, der die Seele zur Ruhe kommen lässt und sie auf die Begegnung mit Gott einstimmt.
Wie wird der Rosenkranz gebetet?
Kirchliche Vorschriften, wie der Rosenkranz zu beten ist, gibt es nicht. Er kann in gesamter Länge oder teilweise (z.B. nur ein Gesätz), allein oder in Gemeinschaft - abwechselnd zwischen Vorbeter und Gemeinde oder zwischen zwei Gruppen - gebetet werden. Eine Übersicht über bei uns gebräuchliche Formen finden Sie in unserer Rosenkranz-Broschüre.
Die Rosenkranzkette ist eine aus Kugeln oder Perlen bestehende Gebetsschnur mit einem Kreuz an ihrem Ende. Der geschlossene Teil eines Rosenkranzes teilt sich in fünf Zehnergruppen von Kugeln, die von einer jeweils größeren oder in größerem Abstand aufgezogenen Kugel getrennt werden. Jede Kugel einer Zehnergruppe steht für ein "Gegrüßet seist du Maria".
Zwischen diesen Zehnergruppen wird jeweils ein "Vater unser" gebetet. Das am freien Ende befindliche Kreuz steht für das Glaubensbekenntnis, auf das wiederum ein "Vater unser" folgt. Die drei eng beieinanderliegenden Kugeln zwischen Kreuz und geschlossenem Kreis stehen für die drei göttlichen Tugenden.
Henning Klingen, Marlies Mostögl (katholisch.at), Katrin Leinfellner